Die Bedeutung des Marienmünsters in Vergangenheit und Gegenwart
1. Schauen – Staunen – Loslassen – Danken – Bitten
Wie kaum eine andere Kirche ist das Marienmünster hoch über dem Ammersee ein Kraftort, Oase, Thronsaal Gottes, Dießener Himmel. Schließlich zählt das Münster neben Andechs zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten in der Ammerseeregion. Dieses Gotteshaus zeigt uns im theologischen Konzept den Weg in den Himmel, angefangen vom Portal bis hin zum Hauptaltar-gemälde, der Aufnahme Mariens in den Himmel und auch der dazugehörigen Mysterienbühne im prächtigen Hochaltar.
14 wechselnde Darstellungen mit kunstvollen Kulissen, Bildtafeln und Figuren, die zu den Festzeiten des Kirchenjahres gezeigt werden, lassen die Betrachter ehrfürchtig staunen.
Unzählige Besucher finden in diesem Gotteshaus innere Ruhe und geistliche Einkehr, aber auch Genuss im Hören von guter geistlicher Kirchenmusik oder durch Betrachtung sakraler Kunst.
Bei zahlreichen Kirchenführungen jährlich können wir viele Menschen beeindrucken und begeistern. Bei diesen Führungen ist es uns wichtig, dass die Besucher immer auch eine geistliche Erschließung unseres Gotteshauses erleben können nach dem Motto: „Wie finde ich meinen Weg in den Himmel?“
2. Das ehrende Andenken des Hauses Andechs-Meranien
Bekanntlich ist Dießen der Stammsitz des bedeutenden Herrscher-geschlechts der Andechs-Meranier und das Marienmünster die Grablege dieser Grafen und Herzöge.
Die Stifter und Gründer des Klosters, die Eltern der sel. Mechtildis und der hl. Hedwig, haben hier ihre letzte irdische Ruhestätte gefunden.
Kein anderes Herrscherhaus hat in der Geschichte so viele Verbindungen durch Heirat in den europäischen Hochadel.
Das Blut der Andechs-Meranier fließt, durch die Mütter vererbt, in den Adern der Wittelsbacher, der Hohenzollern, der Habsburger, der Lothringer, der Adeligen vom Hause Schwarzburg, Oettingen und Hohenlohe, der Bourbonen und Savoyer. Kein anderes Herrscherhaus hat so viele Bischöfe, Kirchenmänner und Äbtissinnen hervorgebracht und kein anderes Herrscherhaus kann so viele Selige u. Heilige in seiner Verwandtschaft aufzählen.
Das edle Geschlecht der Herzöge von Andechs-Meranien
schenkte der Kirche folgende Heilige und Selige:
- Sel. Rathardus, Stifter des 1. Klosters in St. Georgen
- Hl. Rasso, Stifter des Klosters u. der Wallfahrtskirche in Grafrath
- Sel. Kunissa, Stifterin des Klosters St. Stephan und der Kirche St. Alban
- Hl. Mechtildis, Äbtissin von Dießen und Edelstetten
- Hl. Euphemia (Schwester vom Mechtildis), Äbtissin von Altomünster
- Hl. Konrad, Bischof von Konstanz
- Hl. Ludwig IV., Landgraf von Thüringen
- Hl. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen
- Hl. Hedwig, Herzogin von Schlesien
- Hl. Ulrich, Bischof von Lausanne
- Hl. Hildegard, Kaiserin und Gründerin des Reichsstifts Kempten
- Hl. Gerold (Bruder von Hildegard)
- Hl. Adelindis, Gründerin und Äbtissin des Klosters Buchau am Federsee
- Hl. Justina, Gräfin von Wolfratshausen
- Hl. Wiltrudis, Gründerin u. Äbtissin des Klosters Hohenwart
Unter den 28 Seligen und Heiligen, die in der Chorkuppel des Münsters dargestellt sind, befinden sich 16 Frauen und 12 Männer. Welch große Bedeutung haben doch die Frauen in der Geschichte unserer katholischen Kirche! Die drei Frauen Mechtildis, Hedwig und Elisabeth sind dabei besonders hervorzuheben.
Folgende Bischöfe sind aus dem Hause Andechs-Meranien hervorgegangen:
- Hanto, Bischof von Augsburg (+ca. 840)
- Ethiko, Bruder des Hl. Konrad u. Bischof von Augsburg (+988)
- Gebhart, Sohn des Grafen Aribo I., Bischof von Regensburg (+1023)
- Arbo II., Sohn des Grafen Aribo I., Bischof von Mainz (+1011)
- Norbert, Sohn des Grafen Rathold II., Weihbischof (+1085)
- Otto II., Sohn Bertholds II., Bischof von Bamberg (+1196)
- Heinrich I., Sohn Ottos von Wolfratshausen, Bischof von Regensburg (+1155)
- Berthold, Sohn Bertholds VI., Patriarch von Aquileja (+1252)
- Eckbert, Sohn Bertholds VI., Bischof von Bamberg (+1237)
- Boppo II., Sohn Bertholds, Bischof von Bamberg (+1245)
- Leopold, Bischof von Bamberg (+ca. 1340)
- Otto, Bischof von Freising (+1168)
- Heinrich, Bischof von Würzburg
- Diepold, Bischof von Passau (+1215)
- Mangold, Bischof von Passau
Dazu kommen mehrere Frauen (z. B. Euphemia, Agnes, Kunigunde, Gertrud, Mathildis, Agnes v. Orlamünde, Richardis, Adela), die das Amt einer Äbtissin innehatten.
3. Anerkennung der kulturellen und kunstgeschichtlichen Leistung der Augustiner-Chorherrn, insbesondere die Errichtung des Marienmünsters durch den Bauherrn Propst Herkulan Kark in den Jahren 1732-1739.
Die bedeutendsten Künstler Europas waren bei diesem Kirchenbau engagiert:
Neben der architektonischen Leistung in der Vollkommenheit des Hochbarock gibt es hier große Kunstwerke der bildlichen und figürlichen Darstellung. Deshalb zählt das Marienmünster zu den 10 schönsten Kirchen in Deutschland.
Ein Alleinstellungsmerkmal ist unsere Mysterienbühne mit ihren großartigen Kulissen und 14 verschiedenen Darstellungen von Festen des Kirchenjahres (Leinwände, Bildtafeln, Figuren). Mehr als 20 bedeutende Künstler lassen sich auflisten:
- Balthasar Augustin Albrecht, Maler
(Hochaltarbild u. Gemälde des Josephsaltars) - Ehrgott Bernhard Bendl, Bildhauer
(Rosenkranzaltar u. Kreuzaltar unvollendet) - Johann Georg Bergmüller, Maler u. Freskant
(Deckenfresken u. Gemälde am Augustinusaltar) - Johann Andreas Wolff, Maler
(Altargemälde am Magdalenaaltar) - Calendeni u. Antonio Mattheo (Marmorarbeiten)
- Francois Cuvillies, Architekt u. Zeichner
(Entwurf von Hochaltar u. Eingangsgitter) - Georg des Marees, Maler (Gemälde des Kreuzaltares)
- Joachim Dietrich, Bildhauer (Hauptaltar mit Figuren
der 4 Kirchenväter, Augustinusfigur an der Fassade) - Franz Xaver u. Johann Michael Feichtmayr, Stukkateure
- Johann Michael Fischer, Baumeister
- Franz Georg Hermann, Maler u. Freskant
(Gemälde des Rosenkranzaltares) - Johann Evangelist Holzer, Maler u. Freskant
(Gemälde des Michaelsaltares, Bildnis der hl. Mechtildis und des sel. Rathardus) - Kaspar König, Orgelbauer
- Marx Krinner, Kunstschmied (Abschlussgitter)
- Giovanni Battista Pittoni, Maler in Venedig
(Gemälde des Stephanusaltares) - Giovanni Battista Tiepolo, Maler u. Freskant
(Gemälde des Sebastianaltares) - Franz Xaver Schmädl (Arme Seelen-Altar,
Johann Nepomuk-Altar, Taufbrunnen und Krippenfiguren) - Johann Baptist Straub, Bildhauer (Altäre des Stephanus u.
Sebastian, Kanzel, Orgelbrüstung, Tabernakel der beiden vorderen Seitenaltäre) - Johann Georg Üblherr, Stukkator
- Aegidius Verhelst, Bildhauer
(4 Seitenaltäre, Büsten an den beiden vorderen Seitenaltären, Beichtstühle, Marmorbüste an der Fassade) - etc.
Die gute Zusammenarbeit der bedeutendsten Künstler seiner Zeit aus ganz Europa unter der Leitung des Bauherrn Propst Herkulan Karg ist ein großartiges Beispiel eines wunderbar gelungenen Gemeinschaftswerkes von Kunst und Kirche in einem „vereinten Europa“ (1739!)!
4. Affinität des ehemaligen Augustiner Chorherrnstifts zum Bischof von Rom
Seit 1699 zählte das Augustiner Chorherrnstift zur lateranensischen Kongregation, wie es die Kathedrale des Papstes, die Lateranbasilika, auf dem Deckenfresko zeigt.
Daneben sitzt Papst Innozenz II. auf dem Thron und überreicht dem späteren Propst Degenhart am 6. Februar 1132 die Bestätigungsbulle „Litterae Confirmationis“, die bedeutsame Stiftungsurkunde von Kloster und Kirche. Das Original dieser Stiftungsurkunde befindet sich im bayerischen Staatsarchiv, eine Kopie davon, hängt im Vorraum der Sakristei.
5. Gegenwart und Ausblick: Eine Seelsorge, die die Bewahrung der Schöpfung und den ganzen Menschen im Blick hat
In unserer Pfarrgemeinde versuchen wir mit der großartigen Kunst des Marienmünsters, dem „Theatrum Sacrum“,
aber auch mit der „Schöpfungswiese“ vor dem Marienmünster (Wildblumenkreis und Getreideacker) alle Sinne anzusprechen. Der Glaube wird hier durch Sehen – Hören – Riechen – Tasten – Staunen vermittelt. Wir feiern die Gottesdienste immer wieder auch im Freien, wie z. B. zu Erntedank, Fronleichnam, Fest des hl. Franziskus mit Tiersegnung u. a.
Der Weizenacker mit verschiedenen Ur-Getreidesorten weist auf unsere „Ortsheilige“ die Sel. Mechtildis hin, die sich als Brotmutter vom Ammersee nicht nur um die Armen kümmerte, sondern auch immer genügend Weizenmehl für die Hostien-bäckerei bereitstellte.
Geschichte, Kunst, Musik, Schöpfung und Liturgie sowie die Heilige Schrift und tätige Nächstenliebe und vieles andere mehr spiegeln das Wirken Gottes auf unserer Erde wider und führen uns auf verschiedene Wege zum Glauben an den Dreieinen Gott.
Josef Kirchensteiner, Pfarrer von Dießen